Jugend

Platz 1 und 2 in Neuwied – Der Rückblick auf die VMM aus Trainersicht

Die siegreiche Mädchenmannschaft mit dem Vorsitzenden der Schachjugend, Prof. Ludwig Peetz

Am Samstagabend, irgendwann gegen 19 Uhr beim gemeinsamen Abendessen in einer Pizzeria in Neuwied, schoss mir der Gedanken durch den Kopf: „Das war heute der erste Titel, den Birkenfeld jemals mit einer Mannschaft auf Rheinland-Pfalz-Ebene gewonnen hat!“ Bei all den vielen Erfolgen, die unsere Jugendspielerinnen und -spieler in der Vergangenheit bei Einzelturnieren erringen konnten, reichte es nie für einen großen Mannschaftstitel. Bis zum 22. Juni 2024, bis zur Vereinsmannschaftsmeisterschaft (VMM) der Schachjugend Rheinland-Pfalz.

Bevor gespielt werden konnte, musste erst einmal organisatorisches Chaos behoben werden. Dass irgendetwas nicht nach Wunsch lief, merkte ich, als mich noch während der Hinfahrt zwei Telefonate mit der Frage erreichten, ob man nicht spontan die Bedenkzeit der Altersklasse U16 verringern solle. Hintergrund der Frage war die Tatsache, dass nur drei Mannschaften in dieser Altersklasse gemeldet waren, so dass man bei kürzerer Bedenkzeit das komplette Turnier an einem statt an zwei Tagen hätte absolvieren können. Das Problem war nur, dass man diese nachvollziehbaren Überlegungen nicht nach Meldeschluss am 31. Mai angestellt hatte sondern am Turniertag. Kurz und gut: Wir lehnten eine Änderung der Bedenkzeit ab – nicht zuletzt deshalb, da wir Zimmer für die Übernachtung gebucht hatten, die natürlich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr hätten storniert werden können.

Auf dem Weg zum Titel: Unsere U12w-Mannschaft gegen Bendorf

Als wir dann den Turnierort erreichten, war die erste Person, die uns über den Weg lief, Turnierleiter Fabian Mäurer, dessen erster Satz lautete: „Nichts funktioniert!“ Gemeint war vor allem der Drucker, aber auch ansonsten war die Meisterschaft – für den Rahmen einer Landesmeisterschaft – nicht optimal organisiert. Das Gebäude selbst, das Berufsbildungswerk Neuwied war großzügig und bot alle Möglichkeiten einschließlich einer Cafeteria – umso weniger leuchtet es ein, dass nicht ein einziger der zahllosen Räume als Analyseraum zur Verfügung gestellt (und mit Analysebrettern ausgestattet) werden konnte. Die Folge war, dass mehrfach Eltern oder Trainer mit ihren Schützlingen im Turniersaal analysierten. Übrigens ist es bei einem Jugendturnier mit Kindern bis U12 absolut nicht sinnvoll, wenn unmittelbar neben den Turnierbrettern ein Kletterseil hängt: Es wird mit absoluter Sicherheit irgendeines der Kinder auf die Idee kommen, man könne dort klettern oder schaukeln! Doch damit genug der Kritik; nach anfänglicher Hektik spielte sich alles ein, und spätestens am zweiten Tag wirkte auch Fabian Mäurer schon wieder deutlich entspannter.

Jeweils 2 Siege aus 2 Partien: Emma (links) und Lena

Wir starteten mit zwei Mannschaften in den Altersklassen U12w und U16. In der jüngeren Klasse gingen Helena Frydel, unsere Gastspielerin Ella Reuber von den Schachfreunden Ochtendung, Emma Didas und Lena Henn als Favoritinnen ins Rennen. Doch bekanntlich werden Partien ja nicht durch die höhere DWZ entschieden sondern durch besseres Spiel auf dem Schachbrett. Und dass mit den SF Nickenich ein ernstzunehmender Konkurrent angetreten war, bewiesen die Mädchen aus Nickenich gleich in der 1. Runde durch einen klaren 3,5:0,5-Erfolg gegen die dritte teilnehmende Mannschaft, den SC 1926 Bendorf. In dieser Startrunde waren wir spielfrei und starteten in den zweiten Durchgang mit dem Wettkampf gegen Bendorf. Der größte Aufreger des Matches ereignete sich nach wenigen Minuten als sich herausstellte, dass die Gegnerinnen an den ersten beiden Brettern falsch aufgestellt hatten. Glücklicherweise ließen sich Helena und Ella davon nicht aus der Ruhe bringen: Die Partien wurden neu gestartet und der Wettkampf verlief danach ungefährdet. Emma brachte uns nach 16 Zügen in Führung, an den Spitzenbrettern ließen Helena und Ella nichts anbrennen und als auch Lena entscheidend in die gegnerische Stellung einbrechen konnte, lautete das Endergebnis 4:0. Der halbe Brettpunkte, mit dem wir höher als Nickenich gewonnen hatten, gab uns den kleinen Vorteil, dass ein 2:2 in der 3. Runde wegen der besseren „Tordifferenz“ zum Titel ausgereicht hätte.

Die 3. Runde gegen Nickenich.

Letzte Runden haben ihre eigenen Gesetze – das weiß jeder Schachtrainer, und das sollte sich auch noch in dieser Meisterschaft bewahrheiten. Doch in der U12w schonten die Mädchen dankenswerterweise meine Nerven: Diesmal war es Lena, die uns früh in Führung brachte. Emma zeigte erneut eine starke Leistung, auch wenn sie es versäumte, noch früher den Sack zuzumachen. Doch die Gegnerin fand im entscheidenden Moment nicht den einzigen Zug, der sie im Spiel gehalten hätte: 2:0, bereits die Entscheidung im Kampf um den Titel. Dass Ella nach zuvor exzellenten Gewinnchancen ihre Partie in einem Endspiel mit Türmen und gleichfarbigen Läufern verlor, war lediglich ein kleiner Schönheitsfehler. In der letzten Partie trennte sich Helena von ihrer Gegnerin mit einem Remis: Das Materialverhältnis mit einer Leichtfigur gegen drei Bauern war völlig unklar und hätte beiden Spielerinnen Chancen eingeräumt. Unter dem Strich bleibt eine souveräne Mannschaftsleistung, bei der besonders unsere hinteren Bretter glänzten: Sowohl Emma als auch Lena gewannen beide Partien. Ein herzlicher Dank geht an unsere Gastspielerin Ella, die uns toll unterstützt hat und hoffentlich auch bei der Mitteldeutschen Meisterschaft unterstützen wird. Denn das wird der nächste Termin für unsere Mädchenmannschaft sein: Vom 6. bis zum 8. September steht in Pirmasens der Vergleich mit den besten Teams des Saarlandes, von Hessen und Thüringen an.

Halb voll oder halb leer? Das Match gegen Kastellaun.

Auf die Teilnahme an der Mitteldeutschen Meisterschaft hofft auch unsere U16-Mannschaft. In Neuwied wurde die direkte Qualifikation hauchdünn verpasst. Am ersten Tag gab es ein 2:2 gegen den SK Kaiserslautern. Ein früher Rückstand durch eine Niederlage von Zixuan Zhuang glich Milan Schneble in einer souverän geführten Partie aus. Die Partien von Marcel Frydel und Fynn Didas endeten Remis. Leon Wollscheid setzte in dieser Runde aus.
Am Folgetag stand der Wettkampf gegen den SC ML Kastellaun an, der absolut jedes Tabellenergebnis zuließ. Kaiserslautern hatte seinen Wettkampf gegen Kastellaun 2,5:1,5 gewonnen, so dass ein Sieg unseres Teams mindestens den geteilten 1. Platz, ein Unentschieden den 2. Platz und eine Niederlage den 3. Platz bedeuten würde. Über lange Zeit sah es gut aus. Zwar hatte Leon einen wichtige Zentrumsbauern und danach auch die Partie verloren, aber Marcel Frydel glich postwendend aus. Sein Sieg fiel ähnlich überzeugend aus wie derjenige Milans am Vortag. Doch ausgerechnet Milan sollte diesmal zum tragischen Helden werden. Nach zwischenzeitlichem Materialvorteil entglitt ihm die Stellung zusehends, zuletzt überschritt er die Zeit. Ein Schock, da das Ergebnis lange ganz anders zu erwarten gewesen war. Zum Glück gab es zumindest teilweise ein Happy End: Fynn hatte gegen seinen favorisierten Gegner ein angenehmes Endspiel mit besserer Leichtfigur und besserer Bauernstruktur erhalten und führte dieses Endspiel souverän zum Sieg.

Bei dem Endresultat von 2:2 und Tabellenplatz 2 stellt sich die übliche Frage: Ist das Glas halb voll oder halb leer? Ich war unmittelbar nach dem Wettkampf ausgesprochen verärgert über den Matchverlauf, da ein Sieg nicht nur im Bereich des Möglichen, sondern das zu erwartende Ergebnis gewesen war. Dennoch: Ein Unentschieden ist gegen einen starken und ausgeglichen besetzen Gegner wie Kastellaun kein Unglück, und sollten wir per Freiplatz die Teilnahme an der Mitteldeutschen Meisterschaft erhalten, ist das Glas wohl eher halb voll.

Mein Dank gilt allen Spielerinnen und Spielern sowie den Betreuern Svenja Samson und Miroslaw Frydel. Die Fortsetzung folgt im September in Pirmasens.

Ergebnisse: U12w , U16 . Gruppenfoto unserer Mannschaften: Svenja Samson, alle übrigen Fotos: Mario Ziegler